Solistenensemble Kaleidoskop / verein .akut
Music: Franz Schubert, Iannis Xenakis, Helmut Lachenmann, Mark Andre, Georg Friedrich Haas
Artistic Director: Tilman Kanitz

Excuse My Dust: de terrae fine

Als Jahr ohne Sommer ist 1816 in die europäische Geschichte eingegangen, nachdem im Vorjahr in Indonesien der Vulkan Tambora ausgebrochen war. Eine gewaltige Aschewolke zog bis nach Europa, legte sich in die Atmosphäre und veränderte das Klima und die Sicht auf den Himmel. Der Rhythmus der Jahreszeiten war in weiten Teilen Europas und Nordamerikas gestört – Winter breitete sich aus, noch in den Sommermonaten fiel mancherorts Schnee. Achtzehnhundertunderfroren wurde in den folgenden Jahren der Missernten und Hungersnöte zu einem Begriff, der in Deutschland und Österreich auch vor dem Hintergrund der politischen Restauration den verstärkten Rekurs auf Wintermetaphern nahelegte.

Doch der Vulkanstaub in der Atmosphäre hatte nicht nur eine ausgedehnte Periode der Kälte zufolge, er bewirkte auch eine eindrückliche Veränderung des Tageslichts. So wurde der Himmel über Europa durch den ungewöhnlichen Staubanteil in der Luft keineswegs nur düsterer, vielmehr färbten sich auch die Sonnenauf- und untergänge mit besonderer Intensität und seltene Licht- und Niederschlagsphänomene wie Nebensonnen und Blutregen wurden beobachtbar.

Das Jahr ohne Sommer lässt sich in vielen Werken von Künstlern aus dieser Zeit erahnen. 200 Jahre später projiziert Excuse My Dust: de terrae fine Nebensonnen auf die Bühne, wie sie Wilhelm Müller und Franz Schubert in der Winterreise entwarfen: „Ach, meine Sonnen seid ihr nicht, schaut andern doch ins Angesicht!“. Wie könnten nachvulkanische Naturzustände klingen, wären sie als Partitur gesetzt?

In Kooperation mit dem Wiener Verein .akut führt das Solistenensemble Kaleidoskop Schuberts spätes Streichquintett in nie gehörter Weise auf – rückwärts und rückwirkend, zwischen und verwoben mit Werken von Mark Andre, Georg Friedrich Haas, Iannis Xenakis und Anton Webern.

Excuse my dust ist ein Ausspruch von weit her, einem Vulkan in dem Mund gelegt und hörbar gemacht. Sieht man seine Auswürfe, so färben sie sich: mal grau, mal weisslich, mal schwarz. Betastet man sein Material, so fühlen es sich an: wie Tuff, wie Stein, wie Sand. In Musik gesetzt erklingen sie wie: Rauschen, Cluster, Mikrotöne.

Franz Schubert – Streichquintett C-Dur D 956 (IV: Allegretto) (1828)
Mark Andre – E für Violoncello solo (2012)
Helmut Lachenmann – Toccatina. Studie für Violine allein (1986)
Iannis Xenakis – Ittidra für Streichsextett (1996)
Franz Schubert – Streichquintett C-Dur D 956 (III: Scherzo. Presto – Trio. Andante sostenuto) (1828)
Georg Friedrich Haas – de terrae fine für Violine solo (2001)
Franz Schubert – Streichquintett C-Dur D 956 (I: Allegro ma non troppo) (1828)
Franz Schubert – Streichquintett C-Dur D 956 (II: Adagio) (1828)
Anton Webern – Sechs Bagatellen für Streichquartett op. 9 (1911–1913)

Solistenensemble Kaleidoskop
Konzept: Tilman Kanitz und Han-Gyeol Lie
Künstlerische Leitung: Tilman Kanitz

Eine Produktion von .akut – Verein für Ästhetik und angewandte Kulturtheorie und Solistenensemble Kaleidoskop mit freundlicher Unterstützung von Erste Bank, in Kooperation mit Wien Modern.